securio Geschrieben 1. November 2009 Geschrieben 1. November 2009 Der Stadtteil befand sich in üblicher, samstagmittäglich-larmoyanter spießbürgerlicher Beschaulichkeit. Emotional völlig unbeteiligt ließ ich mein Garagentor hochflippen und stieß mit der Stirn am innenseitig befindlichen Drehknebel an. Ebenso sine Emotio griff ich mir ein herumliegendes, gebrauchtes Papiertaschentuch, in dem sich noch die Blutflecken des letzten Garagenzutritts befinden und wischte lässig die neuen –gefühlten- 2 Liter meines kostbaren Lebenssaftes weg. Das Schwein. Das dicke, blaue, englische Eisenschwein, mir lasziv den breiten Arsch zuwendend, ohne irgendeinen Hauch von irgendetwas zu verströmen, kein Knistern, kein gar nichts. Emotionslos, so wie eine gelangweilte, frigide Hausfrau in Littlehalvertonshire ihren Altershooligan antreibt: "Can’t you get this embarrassing fuck to an end, Darling?“ Aufsitzen, Seitenständer einklappen, rückwärts aus der Garage rollen, Hinterkopf am immer noch vorhandenen Drehknebel anschlagen, Karre abstellen und erstmal in der im Sonnenlicht explodierenden Bläue vergehen. Einmal drumrumgehen. Cool den Zündschlüssel drehen, anlassen. Anlassen? Die Dicke sagt nix. Nochmal. Nochmal nix! Seitenständer, absteigen, Helm ab, Handschuhe aus, Jacke aus (so ein herbstlicher Samstagmittag bringt schon ganz schön Wärme!) Nochmal drumrumgehen. Ganze Prozedur rückwärts: Jacke, Handschuhe an, Helm auf, Aufsitzen, Killschalter zurückstellen, anlassen. Mit einer Stimme, wie man sie auch der oben beschriebenen Littlehalvertonshirin zubilligen könnte, krächzend, rumpelnd (wie mein Magen nach drei Guinness und ner Portion Haggis) hustet sie sich langsam frei. Zögernd, zurückhaltend, wie ich meine. Ein wenig am Choke reguliert und die käsigen Beläge auf ihren Stimmritzen fliegen mir nur so um die Ohren. Erste Fenster der Nachbarschaft öffnen sich. Einmal am Griff gedreht, halb Oppum scheint das Bedürfnis nach Frischluft zu haben, denn alle Fenster, auch die in der weiteren Nachbarschaft, sind weit geöffnet. Das Volk schaut und staunt. Erster Gang und einmal eine gaaanz langsame Runde auf dem Hof. In ersten Mündern ist der Sabbel nicht zu halten. Alte, müde Augen sind bis über ihre buschigen Brauen aufgerissen, Kinder balancieren auf Balkongittern um besser sehen zu können, Frau Renate S., 60, verwitwet, wiegt ihren Oberkörper im Takt der drei satt brabbelnden Pleuel im Bauche der Blauen, den Reißverschluss ihres Küchenkittels weit offen. Zweiter Gang, Richtung Tanke. Die Blaue ist durstig. An der Zapfsäule neben mir, ich habe noch nicht aufgebockt, Yossip Dülcürüm, Golf II, Abarth-Anlage mit wippenden Endrohren "Ey, wie findestu Klang?“ Ich nuschel durch den Helm "Stell mal Deinen Motor aus!“ kurz einmal Drehzahl auf kleine 6000 gebracht und innerhalb von zwanzig Sekunden prangte an Yossips Golf ein Zettel: "Verkaufe Abarth-Anlage. Guter Klang, 80 Euro“. In gemächlicher Fahrt über Bösinghofen nach Strümp, zur Fähre nach Langst, bedächtig, keine Kurven, nur ein paar gemäßigte Bögelchen. Hin und wieder mal Fahrt aufgenommen, früh geschaltet, mäßig hochgedreht. Im Kreisverkehr umgedreht, nach Strümp, dann Osterath, die Umgehungsstrasse nach Kaarst, an Franzens Zollhaus mal richtig Gas gegeben, vor Kaarst die Landstraße nach Büderich, mal fliegen lassen. Naja, angepasst natürlich, nicht über 120. Im Dritten. In Büderich die A52 genommen, Richtung MG, am Kaarster Kreuz flott einmal alle Abfahrten genommen, wieder Richtung MG. Im Kreuz Neersen Richtung Ko’broich, ein weiss-blauer Gebückter klebt hinter mir. Mache Platz und nehme Gas weg. Er klebt hinter mir. Landstrasse nach Grevenbroich. Er klebt hinter mir. Hahn auf, er klebt hinter mir. A46 Richtung Aachen, Kreuz Wanlo A61 Richtung Venlo, A52 Richtung Düsseldorf: er klebt weiter hinter mir. Parkplatz Cloerbruch, für eine nikotinfreie Zigarettenpause. Der weissblaue: "Cooler Sound. Tauschen wir mal?“ "Hä??“ "Ja, lass uns mal die Karren tauschen!“ "Öh, heute nicht. Andermal ja, schick mal sms, wenn Du Zeit hast!“ "Abgemacht!“ Auf Heimat gedreht. Mit sattem Blubbern auf den Hof gefahren. Motorstop, Seitenständer, Garagentor, Papiertaschentuch. Je, rechts und links, ein paar Heftzwecken in die Moppedstiefel geworfen –anders bekomme ich die Mundwinkel nicht mehr von den Ohrläppchen weg-. Frau Renate S. wiegt sich schon wieder, oder immer noch, Nachbarin K., 45, gibt mir nen Zehner für Sprit ("Danke. Die Spontanlatte meines Alten habe ich weidlich ausgenutzt."), Kinder skandieren: "Noch ne Rundenochnerundenochnerunde“, Hunde verkriechen sich wieder unterm Tisch, Katzen bringen ihre Jungen in Sicherheit. Und ich? Ich freue mich jetzt noch mehr auf Schottland. Die Tage der betulichen Rentnerbeschaulichkeit sind vorbei. VORBEI! Was war nicht schön? Zwei Sachen: Erstens, meine Jeans ist hin, ebenso die darunterliegende Haut des rechten Unterschenkels, denn Auspüffe werden heiss und Zweitens, die Wwe. Renate S. hat gefragt, ob ich sie mal mitnehme. Sincerely yours Securio
Blockadebrecher Geschrieben 1. November 2009 Geschrieben 1. November 2009 YEEESSSS, einfach klasse. Mach weiter damit. Muss ja nicht gleich eine Woche im Bikehotel sein, aber ein gelegntlicher Ausflug auf Deutschen Strassen ähnlich dokumentiert bringen auch meine Mundwinkel in Tuchfühlung der Ohrläppchen. Der Anhängerkauf war schon klasse, aber das ist besser. Will mehr!! Jürgen
Gast Thorty Geschrieben 1. November 2009 Geschrieben 1. November 2009 ...da bisse ja 2-3mal fast an uns meerbuscher hello-wiens vorbeigeflogen, während wir datt federbein von dem rtf-uk-tiija jetauscht haben. und der grill-ruzzi war auch noch da, um uns datt korschenbroicher uralt-bier zu dezimieren wer so literarisch hamma-mässig schreiben kann, dem sollte man (fast) alles andere verbieten... gruss aus 40670... yours, sincerely thorty
Gast M-1 Geschrieben 2. November 2009 Geschrieben 2. November 2009 Securio = Henk?? Aha... Schöne Schreibe.....und noch schöneres Moped Gruß M1
Hans Dampf Geschrieben 2. November 2009 Geschrieben 2. November 2009 Das ist Weltliteratur der Extraklasse, die sich durchaus mit einem Miguel de Cervantes, Franz Kafka, Thomas Mann oder auch Gustave Flaubert messen darf; und das hier im t300-Forum, ich bin begeistert! Aber wie heißt es so schön im Volksmund: Ein geistiger Erguss am Morgen, vertreibt Kummer und Sorgen... Grüsse Hans Dampf
T400 Geschrieben 2. November 2009 Geschrieben 2. November 2009 Mehr davon! Echt geil geschrieben. Wenn Du das den ganzen Winter machst, wird das Warten aufs Frühjahr nicht so lang! Jörg
motordan Geschrieben 2. November 2009 Geschrieben 2. November 2009 Feini feini! Wann erscheint das Buch? Machs gut und schön am Hahn drehen! Daniel
Tona-Hajo Geschrieben 2. November 2009 Geschrieben 2. November 2009 jaja - so sind se, die Krähfelder. Ganz schlimm die Opp(i)umer. Zur Erläuterung für alle Nicht-Rheinländer: Der mit der Blauen wollte nur Briefchen tauschen... Die kurze aber prägnante Gleichung lautet: Zulassung auf "KR" + fährt am Rastplatz Cloerbruch raus = MARIHUNAAAAA!!! Spaß beiseite : Schön mal von Anderen so etwas zu lesen, wenn sie durch die heimischen Geläufe brettern! @securio: beim nächsten mal biegste auf ne gemeinsame Runde in Osterath ab (Richtung "Straßenmeisterei) und dann können wir und obacht bei Franzen´s Zollhaus - brandgefährliche Ecke!! Was die Begierlichkeiten gewisser Nachbarinnen angeht empfehle ich: Sitzabdeckung drauf & Rasten runter! bis denne Hajo
securio Geschrieben 2. November 2009 Autor Geschrieben 2. November 2009 jaja - so sind se, die Krähfelder. Ganz schlimm die Opp(i)umer. Zur Erläuterung für alle Nicht-Rheinländer: Der mit der Blauen wollte nur Briefchen tauschen... Die kurze aber prägnante Gleichung lautet: Zulassung auf "KR" + fährt am Rastplatz Cloerbruch raus = MARIHUNAAAAA!!! Spaß beiseite : Schön mal von Anderen so etwas zu lesen, wenn sie durch die heimischen Geläufe brettern! @securio: beim nächsten mal biegste auf ne gemeinsame Runde in Osterath ab (Richtung "Straßenmeisterei) und dann können wir und obacht bei Franzen´s Zollhaus - brandgefährliche Ecke!! Was die Begierlichkeiten gewisser Nachbarinnen angeht empfehle ich: Sitzabdeckung drauf & Rasten runter! bis denne Hajo (Richtung "Straßenmeisterei) wat, so dicht bei?? Dunnerlittchen. Beim Jöchen Adressen austauschen ...S.
Gast bobby k. Geschrieben 2. November 2009 Geschrieben 2. November 2009 Wer ko der ko,wie man bei uns in Bayern so sagt,schön geschrieben,da krieg ich auch gleich wieder feuchte Erinnerungen wie ich das erste Mal eine meiner Eisenladies bestiegen habe Geiles Gefühl!! Viel Spass. Gruß Bobby
Gast rillguzzi Geschrieben 2. November 2009 Geschrieben 2. November 2009 Feines Textchen.Liesst sich sehr fein.Danke für die kurze kurzweile. Mike
Doris Geschrieben 3. November 2009 Geschrieben 3. November 2009 Ha, ich bin begeistert. Das macht richtig Laune . Bitte bitte weiter so! Das ist Kurzweile auf geniale Art! Erinnert mich an Karl Vettermann. Was der bei den Seglern bist Du bei den T-lern. Auf das Buch freu ich mich jetzt schon Grüßle, Doris
Hans Dampf Geschrieben 3. November 2009 Geschrieben 3. November 2009 ...da krieg ich auch gleich wieder feuchte Erinnerungen wie ich das erste Mal eine meiner Eisenladies bestiegen habe Geiles Gefühl!! Gruß Bobby Tach Bobby, Ihr habt aber auch Sitten und Gebräuche im nicht deutschsprachigen Teil der Bundesrepublik. Ist das Besteigen von Eisenladies der Nachfolger des Fensterln? Grüsse aus dem Nordwesten Hans Dampf
rainman Geschrieben 3. November 2009 Geschrieben 3. November 2009 ne ne! ich glaub der bobby hatte da was anderes im sinn!? gruß rainman
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