Die Geschichte von der Kawasaki H 2



Irgendwann im Jahre des Herrn 1988 hörte ich von einer alten Maschine die seit 8 Jahren in einem Keller stillgelegt vor sich hinrostete. Es war eine Kawasaki 750 H2, Baujahr 1973. Die habe ich dann für eine horrende Summe erworben weil sie doch nicht so rostig war wie vermutet. Der Lack war nicht mehr original, der Rest aber komplett und fahrbereit. Nach 8 Jahren die neue Batterie rein und 3 Liter Sprit, dreimal auf den Kickstarter getrampelt und der Dreizylinder Zweitakter fing an zu bellen. Diverse Teile mussten dann noch vor der TÜV-HU erneuert werden, ein paar Simmerringe, Stossdämpfer, Reifen, Bremsbeläge und diverse Öle. Die Innereien des Motors stellten sich als neu heraus.

Also ab zum TÜV.

Der Prüfer war schon vom Klang nicht begeistert.
"Is dat die orjinale Anlage ? Wo isn der Schtembel ?"
"Der ist da, wo die Krümmer in den Schalldämpfern stecken."
"Da mussich abba mit probefahn, wo isn dea Stata ?"
"Da unten rechts den Hebel rausklappen und drauftreten."
"Machen Sie dat ma, nachher schmeiss ich dat um."
Gesagt - getan.
"Mönsch issas laut. Un dea ersse Jang jeht nich rin."
"Der muss, wie die anderen auch, noch oben geschaltet werden. Bitte Vorsicht mit der Kupplung, die Maschine geht schnell vorne hoch"
"Wolln Se mir etwa sagen wie man fährt ? Ich bin seit 30 Jahren hier und weiss wassich mach !"
Da gibt der arme Mann Gas, lässt die Kupplung sausen und fährt auf dem Hinterrad um 2 cm an der Grube vorbei
Meine Nerven . . . . .!
Er schafft es irgendwie zu überleben, würgt das Moped ab, steigt ab, totenblass. Beruhigt langsam seine weichen Zitterknie.
"Dat is ja lebensjefährlich."
Ich verkneife mir die üble Bemerkung.
"Ham Se übarhaupt eine Anbaubescheinijunk füa dat zwaite Bremsscheibe wat Se da innie Papiere ham wolle ?"
"Habe ich selber eingebaut"
"Da kann ja jeder komm ! Soo abba nich !"
"Herr Ingenieur, als alter Fachmann können Sie ja wohl selber den fachgerechten Anbau beurteilen."
"Mmmmh, brummel. Ma kuckn.
Naja, sieht ja jut so aus, tuts auch un is festjeschraubt. Abba dat zwaite Rückstrahler da hinnen am Blech, dat is nich korekt. Dat is schon im Rücklicht integriaht. Dat trach ich abba als laichtn Mangel innen Bericht rein !"
Jochen - halt den Mund und lass ihn.
Nachden ich dann tatsächlich die Plakette bekommen hatte bin ich erstmal eine Runde zum nervenaufbauen über die Landstrassen gebrettert und habe mir die erste Knolle für zu schnelles Fahren eingehandelt.
Toller Tag !

So langsam keimten Verbesserungspläne in meinem Kopf heran.
Ich wollte doch keinen der allseits zu bewunderten Plastikeimer fahren.
Die Abdeckung unter dem Heckbürzel war aber aus Kunststoff.
Also fing ich an zu zeichnen.
Welches Material ?
Carbon war damals noch nicht so bekannt und passte irgendwie auch nicht so recht zum Baujahr. also lieber Aluminium.
Inspiriert durch die englischen Caffee-Racer begann ich meine Zeichnungen in diese Richtung zu orientieren.
Tank, Sitzbank und Heckbürzel sollten eine flache Linie bilden, das Fahrwerk sollte auch jenseits von 160 km/h fahrbar sein.
Die Schwinge wurde aus Aluminium Kastenprofilen gefertigt, in Kegelrollen gelagert und mit Excentern zur Kettenspannung versehen. Der Lenkkopf wurde auch in Kegelrollenlager gebettet.
Da die Kawa bereits serienmässig über zwei Lenkungsdämpfer verfügt erübrigte sich die Nachrüstung.
Die Felgen wurden gegen breitere aus Alu mit Va-Speichen getauscht und mit den dazu passenden Reifen ausgestattet.
Der Kabelbaum musste auch neu aufgebaut werden, da die Blinker in die Lenkerenden verlegt und das Rülicht geändert wurden.
Die Expansionsrohre wichen einer Fast-by-Gast Dragracing 3-3 Nachbauanlage mit Dämpfern. Laut aber wirkungsvoll.
Klar das auch grössere Vergaser hermussten, der Luftfilter modfiziert wurde, Kanäle, Kolben und Zylinderköpfe bearbeitet wurden.
Die ursprüngliche Leistung von 74 PS stieg auf ca. 86 PS.
Und das Fahrwerk wurde seinem Namen gerecht.
Wenn man vorher bei 160 - 180 km/h das Gefühl hatte, zwischen Tank und Sitzbank sitze ein Kugelgelenk, konnte man nun den Hahn aufreissen ohne Angst zu haben in der nächsten Böschung zu landen. Zwar werden dann die Griffgummis so dick wie Baseballkeulen, good Vibrations halt, aber man kann sich daran gewöhnen.
Natürlich ist das nichts für Leute die heutigen Standard und seidenweichen Motorlauf gewohnt sind.
Es ist halt ein ganz besonderes Fahrgefühl.
Die ganzen anderen kleinen Verbesserungen und Verschönerungen hier aufzulisten würde den Rahmen der Storie sprengen, jedenfalls hatte und habe ich eine Riesenfreude daran ab und an mal neben so einem neumodischen Superbike die Kawa gehen zu lassen. Bis 100 km/h braucht der arme "Feindfahrer" schon satt über 100 PS um mitzuhalten. An der nächsten Ampel sind die Augen dann immer riesengross und die Fragen zahlreich. Da auch der TÜV seinen Segen gab, es war ein anderer Prüfer, kann ich auch reinen Gewissens über öffentliche Strassen fahren.

Nunja, die alte Kawa habe ich immer noch, zwar wird sie nur noch bei schönem Wetter, so ca. dreimal im Jahr, gefahren, aber ich gebe "dat Krat" nicht her.